Holger Weigelt

03.07.2000

Abweichende Verhaltensmuster von Soay-Widdern unter menschlicher Obhut

Gegenüber ihren freilebenden Artgenossen entwickeln Soayschafe unter menschlicher Obhut und damit unterschiedlich starkem Domestikationsdruck abweichende Verhaltensmuster. Besonders auffällig werden diese bei den Widdern. Während bei den freilebenden Soayschafen Widder die meiste Zeit über in separaten Gruppen leben, die sich nur während der Brunftzeit auflösen, um sich später in gleicher oder ähnlicher Zusammensetzung wieder zu sammeln, leben sie bei den Tieren in Gefangenschaft durchweg das ganze Jahr über als Einzeltiere oder allenfalls in kleiner Kopfzahl bei der Herde aus Muttertieren und Lämmern oder Jährlingen. Dieser Situation passen sie sich durch Verhaltensmuster an, die aus Freilandbeobachtungen nicht berichtet wurden, nicht berichtet werden konnten weil sich dort keine vergleichbaren Situationen ergeben.

Laufen mehrere Widder bei der Herde, kommt es zwar durchaus zu einer Hierarchiebildung, doch folgt daraus keinesfalls ein absolutes Primat des höchstrangigen Widders sondern häufig bilden alle Widder im Rahmen der Herde kleinere „Familiengruppen" mit einzelnen oder mehreren Auen und ggf. deren Lämmern. Die Mitglieder solcher Gruppen halten relativ engeren räumlichen Kontakt untereinander als zu den übrigen Mitgliedern der Herde. Oftmals ruhen sie in sehr engem Kontakt.

Die Widder - und das gilt auch für den höchstrangigen - übernehmen auch keine generelle Führungsdominanz, sondern teilen sich diese mit dem jeweils ranghöchsten Muttertier, das ihnen im Rang anscheinend überlegen ist.

Die auffälligsten Verhaltensbesonderheiten aber betreffen den Umgang mit lammenden oder gerade abgelammten Muttertieren.

Vielfach beobachtet man - vor allem in Herden mit mehreren Widdern - wie der dominanteste Widder sich bemüht, Auen kurz vor dem Ablammen aus der Herde abzudrängen und sie dazu anhält, einen Geburtsplatz außerhalb des Aufenthaltsbereichs der Herde aufzusuchen. Ist das Muttertier dem nach einiger Zeit nachgekommen, patrouilliert er in einem gewissen Radius um ihren Standort und wacht darüber, dass kein Herdenmitglied diese unsichtbare Grenze überschreitet. Schon bei Annäherung nimmt er eine drohende Haltung ein und attackiert jedes Tier, das dennoch wagt, weiter vorzudringen. Andere Widder werden dabei allerdings heftiger angegriffen als Auen.

Dieses Verhalten zeigt er auch nach der Lammung so lange, bis das Lamm in der Lage ist, dem Muttertier eine kleine Strecke zu folgen. Dann nähert er sich, beschnuppert das Lamm und schließt sich der Mutter-Kind-Gruppe an. Von nun an wird er für mehrere Tage in engem Kontakt mit dem Muttertier und dem Lamm gehen. Er duldet jetzt die Annäherung der übrigen Herdenmitglieder, die kommen, um das Neugeborene durch Beschnuppern kennenzulernen, wacht aber darüber, dass es zu keinen Aufdringlichkeiten gegenüber dem Muttertier kommt, deren Geruch zu dem Zeitpunkt vor allem bei Jungwiddern offenbar Brunftverhalten auslöst.

Nach einigen Tagen verliert sich dieses Verhalten und die Gruppe löst sich auf, was häufig auch durch den Umstand gefördert wird, dass bereits für ein weiteres Muttertier der Lammtermin ansteht womit sich das Verhaltensmuster wiederholt.

Summary: Compared with their feral relatives, Soay-rams under human husbandry develop differing patterns of behaviour. Feral Soay-rams live in separate ram-groups most time of the year. Under conditions of domestication they mostly have to live as single ones or few together with the ewes all year adapting to this situation. They set up a broken hierarchical structure. In spite of having a dominant ram, possibly all rams can settle in some small "family-groups" of one or a few ewes and their lambs or yearlings. Such "family-groups" graze and sleep much more tight to each other than to the other members of their flock. The dominant ram shares his competence with the eldest or dominant ewe who seemes to be above him in range.

When for a pregnant ewe time comes to give birth to a lamb, you can watch the dominant ram urging her to leave the flock for a distant place. When she settles down there, he keeps a distinct distance watching that none of the other sheep will approach her. After parturition he continues doing so until the time the lamb can follow it's dam a short distance. Then he will come near, snuff at the lamb and stay together with dam and lamb for some days. Now the others come to know the newborn lamb but the ram will save the dam from obtrusiveness of younger rams to whom her smell seems to be an invitation for mating.

Some days later the group will loosen often enforced by new lambing occasions that repeat such ram-behaviour.