Holger Weigelt

Die aktuelle Bemerkung


Inhalt:
30.07.2007

„Grootheid“ ist nicht gröet


03.08.2007

Hinterhältige Bekannte


09.09.2007

Eine Sprache ?


10.10.2007

Fragebogenaktion – Sinn oder Unsinn ?


03.11.2007

Eine Bank, eine Liste, Frau Brückmann und das Ringen um Worte


03.12.2007

Das Ende der Endung


19.12.2007

Die Kirchengemeinde Victorbur und der Teufel im Detail


19.01.2008

Friesischer Rundfunk


22.01.2008

Wie schmeckt Holz beim Bauern ?


24.02.2014

»Platt sniddt good of« ?



30.07.2007

„Grootheid“ ist nicht gröet

Niederdeutsch ist mittlerweile durch die EU-Charta zu Minderheiten- und Regionalsprachen als Regionalsprache anerkannt. Nun möchten etliche Gemeinden in Ostfriesland auch endlich zweisprachige Ortsschilder, so, wie sie seit geraumer Zeit schon im Saterland existieren. über Sinn und Unsinn mag man da streiten – zumindest in denjenigen Fällen, an denen der Unterschied an einem Buchstaben hängt.

Aber gerade das ist der Haken an der Sache – die Schreibweise. Da steht Schlimmes zu befürchten wie uns das Beispiel der Gemeinde Großheide zeigt.

Großheide heißt auf Platt „Grōthâid“, hat also ein langes „o“ und einen überlängten ai-Diphthong.

Nun lese ich auf den Ortsschildern aber die Zweitinschrift „Grootheid“ – was will mir die sagen?

„Groot“ ist in Ordnung aber „Grootheid“, das lässt sich vielleicht deuten als ein Begriff, der einer deutschen Konstruktion „Großheit“ entspräche. „Großheit“ aber meint „Größe“ und die heißt auf Platt „gröet“ und ist natürlich nicht gemeint, abgesehen davon, dass dann auch die Schreibung mit „ei“ als falsch zu bemängeln wäre.

Das Problem liegt darin, dass das Deutsche mit einem System von vier Schreibweisen für zwei Diphthonge auskommt (ai/ei; eu/äu), dass dieses System aber auf Ostfriesisches Platt nicht übertragbar ist weil dieses mehr und ganz anders geartete Diphthonge aufweist.

Im Ostfriesischen Platt finden wir: ai, äi, ei neben au, öy, öi und von diesen Diphthongen gibt es dann noch die unterschiedlichen Längenformen also: ai, āi, âi / äi, äie / ei, äj, äej.

Die Schreibweise „ei“ muss also einem ganz anderen Lautfeld vorbehalten bleiben als im Falle von „Grōthâid“ gemeint ist.

Um den tatsächlichen Verhältnissen gerecht zu werden wäre also mindestens die Schreibweise „Groothaid“ zu fordern. Darin würde sich dann immerhin die Erkenntnis spiegeln, dass eben die Lautverhältnisse des Ostfriesischen Platt anders sind als die des Deutschen. Um aber dann auch klar zu machen, dass es sich um abweichende Lautlängen handelt, wäre – sofern die Verantwortlichen eine alternative Schreibweise scheuen – mit „Groothaaid“ immerhin eine einigermaßen vertretbare Lösung gegeben, die auch dem Fremden, der nicht des Ostfriesischen Platt mächtig ist, klarmachen könnte, weshalb eine zweite Ortsbezeichnung auf dem Schild überhaupt auftaucht.


03.08.2007

Hinterhältige Bekannte

Da veröffentlicht seit geraumer Zeit ein lokales Anzeigenblatt in seinem redaktionellen Teil die Reiseberichte eines älteren Mitbürgers auf Platt. Auch das soll ein Beitrag sein zur Förderung und zum Erhalt von Platt - insofern ein lobenswertes Unterfangen. Allerdings fragt man sich beim Lesen dieser Berichte vielfach: Was für ein Platt soll denn das sein ? Muss es uns nicht hier in der Region vordringlich um den Erhalt des eigenständigen ostfriesischen Platts gehen ? Aber um solches soll es sich doch angeblich handeln. Na ja, das wollen wir hier gar nicht weiter erörtern, denn heute möchte ich kurz berichten, wie und warum ich mich bei der Lektüre eines der genannten Artikel kürzlich köstlich amüsiert habe und welche Konsequenzen sich daraus herleiten lassen.

Ja, schrieb da nicht jener weitgereiste Herr, seine Reisegruppe habe ein "Hotel betrucken" ! Au weia - augenblicklich entstand vor meinem geistigen Auge das Bild einer Horde von Pauschalreisenden, die auf ein Hotel einstürmen, es mit Faustschlägen und Fußtritten traktieren und versuchen, es niederzuringen.

Sie verstehen nicht ? Na, ganz einfach: Natürlich hat der Autor des besagten Textes Deutsch gedacht und wollte zum Ausdruck bringen, die Gruppe habe ein Hotel bezogen, dabei aber leider völlig übersehen (oder wohl eher - nicht mehr gewusst) dass „bītrekken“ auf Platt soviel wie verprügeln oder ugs. verdreschen bedeutet.

Auch, wenn viele Platt-Sprecher das nicht wahrhaben wollen: Die Sprachkompetenz lässt zusehends nach. Selbst Menschen, die sich noch überwiegend auf Platt artikulieren, denken vielfach in grammatikalischen und lexikalischen Strukturen des Deutschen wodurch Kenntnisse des lexikalischen Bestandes wie auch der grammatischen Strukturen gleichermaßen verloren gehen. Dieser Prozess ist schon seit langem im Gange und hat in erheblichem Maße zu einer Aushöhlung der Sprachsubstanz geführt.

Gerade nahe verwandte Sprachen bergen immer die Gefahr solcher Fehlinterpretationen gleich- oder ähnlich klingender Wörter oder Wendungen. Da heißt es dann besonders achtsam sein.

äecht ist keinesfalls das Gleiche wie Deutsch „echt“ sondern heißt Ehe während die ē, die ja eingedeutscht oftmals Ehe heißt, ein Wasserlauf oder kleiner Fluss ist. Auch sind es óónten (Enten) und nicht enten (Edelreiser - auch als Verb: veredeln), die auf dem Wasser schwimmen und äingóól entspricht keinesfalls dem Deutschen „egal“ sondern bedeutet soviel wie anhaltend, ständig, ununterbrochen ('t is äingóól an 't rēgen = es regnet ununterbrochen). Egal, gleich, auch im Sinne von unerheblich dagegen ist ne' ğlīk (verkürzt von net akróót glīk). Und nicht zu vergessen: gäerst heißt Hefe während das deutsche Wort „Gerste“ mit bēr zu übersetzen ist und anhóólen bedeutet „ansprechen“ und uphóólen soviel wie „erwähnen“.

Dies ist natürlich lediglich eine kleine und dabei sehr zufällige Auswahl von Beispielen, die dann auch noch ergänzt werden könnte um solche Fälle, in denen wegen einer Mehrfachbedeutung für eine korrekte Deutung der Kontext zusätzliche Informationen liefern muss.

Häi dē hum dat gift. Ist hier die dem Deutschen entsprechende Bedeutung „Gift“ im Sinne einer schlimmstenfalls tödlich wirkenden Substanz gemeint oder jene andere, die das ostfriesische Platt mit dem Englischen teilt, womit es sich hier dann um eine freundliche Gabe, ein Geschenk handelte ?

Allein schon die Tatsache, dass es solche Fallstricke gibt, sollte Anlass genug sein, auch bei der Formulierung von Texten in ostfriesischem Platt Sorgfalt walten zu lassen, Wortwahl und Formulierungen gründlich zu erwägen und nicht alle Schreibregeln, an die man sich beispielsweise bei einem deutschen Text halten würde, über Bord zu werfen in der ungerechtfertigten Annahme, dass Platt ja irgenwie ganz von aleine funktioniere, gewissermaßen einem Naturgesetz folge, dem man sich nur zu fügen brauche.


09.09.2007

Eine Sprache ?

Gerade las ich in der Wochenendausgabe der Lokalzeitung den Platt geschriebenen Artikel des Pastoren eines benachbarten Ortes, in dem jener über seine Beobachtungen bei einer Jugendfreizeit für Platt-sprechende Jugendliche aus dem gesamten niederdeutschen Raum berichtet. Er hat da beobachtet, dass seine ostfriesischen Jugendlichen des öfteren Probleme hatten, sich mit den Teilnehmern aus anderen Regionen angemessen zu verständigen und nutzt nun diese Beobachtung, seine Gedanken darüber auszubreiten, wie es denn dazu komme, dass sich Menschen mit gleicher Sprache dennoch nicht verständigen können.

Vielleicht hätte er doch zuvor der Sache ein wenig auf den Grund gehen sollen, dann hätte er allsbald festgestellt, dass schon das Konzept der genannten Freizeit offenbar unter falschen Prämissen erstellt worden ist.

Platt, Plattdeutsch, Niederdeutsch, Niedersächsisch - das ist nicht eine Sprache; nicht eine Standardsprache mit mehreren Dialekten, sondern ein Oberbegriff für eine große Anzahl teilweise weit auseinanderklaffender Dialekte, die in einigen Fällen nahezu den Status einer selbständigen Sprache einfordern können. Dass es da zu Verständigungsproblemen kommen kann, ist nicht verwunderlich sondern geradezu selbstverständlich.

Allen betroffenen Sprachformen ist gemein, dass sie nicht Dialekte des Deutschen sind, sondern von diesem durch sprachhistorische Entwicklung getrennte Dialekte des Niedersächsischen und als solche einen Grundbestand an Gemeinsamkeiten lexikalischer und grammatischer Art aufweisen. Da endet aber die Gemeinsamkeit dann oft schon, denn die regionalen Varianten haben sich nicht nur z.B. durch geografische Entfernung bedingt unabhängig voneinander weiterentwickelt sondern sind im Laufe der Zeit auch sehr unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt gewesen.

Für die westlichen Varianten - auch das ostfriesische Platt - sind hier z.B. der Einfluss des Niederländischen und auch des Französischen zu nennen während die weit östlich angesiedelten vielfach slawische Elemente aufgenommen haben.

Für das ostfriesische Platt kommt zudem das nach wie vor starke friesische Substrat zum Tragen, das manche Besonderheit erklärt. Dagegen sind die häufig übertrieben dargestellten lokalen Eigenheiten im ostfriesischen Platt weniger gravierend als vielfach Glauben gemacht werden soll. Wichtig hingegen ist die Feststellung, dass innerhalb Ostfrieslands noch heute eine alte Sprachgrenze erkennbar ist, die den westlichen Ems-Friesischen Raum vom östlichen Weser-Friesischen Raum trennt und sich in größeren Unterschieden des Wortbestandes aber auch der Flexion und des Satzbaus bemerkbar macht.

Das ostfriesische Platt - wenn es zudem noch in zwei Großvarianten zerfällt - ist natürlich - wie die meisten anderen Varianten des Niederdeutschen auch - eine sehr kleinräumige Sprache. Das hat Konsequenzen z.B. beim Versuch, regionalsprachliche Literatur zu vermarkten. Aus diesem Grunde wird gerade auch von offiziellen Kulturträgern eine Art übergeordnetes Standardplatt propagiert, mit dem man dann einen großen geografischen Raum überbrücken könnte. Eine solche Sprache aber gibt es nicht und sie zu erfinden verlangt nach reichlicher Vereinfachung und Eliminierung regionaler Eigenheiten. In solchem Fall würde Förderung von Platt regional die Vernichtung von Platt bedeuten. Die identitätsstiftende Kraft von Platt eignet immer nur der regionalen Variante, in der sich die Menschen zu Hause fühlen, die die historische und kulturelle Entwicklung der betreffenden Region widerspiegelt und gegen andere Regionen absetzt. Unter diesem Aspekt darf Erhalt und Förderung von Platt für uns in Ostfriesland nichts anderes bedeuten als Erhalt und Förderung des eigenständigen ostfriesischen Platt und dazu darf auch durchaus ein eigener Weg beschritten werden, so wie es einzelne andere Regionen auch bereits angehen.


10.10.2007

Fragebogenaktion – Sinn oder Unsinn ?

Der Monat September wird zum Plattdeutsch-Monat erklärt und die Ostfriesische Landschaft startet eine Fragebogenaktion. Die Menschen der Region sollen mitteilen, ob sie Platt beherrschen, aktiv oder passiv, in welchem Rahmen sie tatsächlich noch Platt sprechen und welche Zukunftschancen sie der regionalen Sprache einräumen.

Das ist nett und lenkt sicher auch ein wenig Aufmerksamkeit auf Platt – bei denen, die sich angesprochen fühlen und das sind wohl nur diejenigen, die sich ohnehin Gedanken dazu machen, nicht aber solche, die man noch gewinnen müsste. Ist das Ganze also wieder - wie so oft - nur blinder Aktivismus ?

Die gestellten Fragen sind ja so unsinnig nicht aber wohin soll das Ganze führen ?

Entscheidend ist, die richtigen Fragen zu stellen und aus den Antworten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und diese Fragen gehen nicht nur an das Kollektiv der Sprecher sondern auch an die Institutionen, die sich der Pflege und Förderung von Platt verschrieben haben.

Im Wesentlichen kann man da alles auf drei Kernfragen reduzieren:

1. Was genau will man fördern und erhalten ?

2. Wofür will man es erhalten ?

3. Wie kann das geschehen ?

Gehen wir das nun einmal etwas detaillierter an:

Platt, Plattdeutsch, Niederdeutsch, Niedersächsisch – wie immer man sagen möchte – ist nichts weiter als der Oberbegriff für eine sehr uneinheitliche Gruppe von Sprachvarianten, die ausgehend von einer gemeinsamen Basis, teilweise höchst unterschiedlich sind in ihrer Phonematik (Lautbestand), ihrem lexikalischen Bestand (dem Wortschatz) und den grammatikalischen Strukturen. Das ist zum Teil der geografischen Trennung geschuldet, zum anderen der jeweiligen der regionalen Eigenentwicklung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht und den historisch begründeten unterschiedlichen Einflüssen und Veränderungsdrücken.

Eine dieser eigenständigen regionalen Sprachvarianten ist das ostfriesische Platt, das seine Eigenständigkeit zu einem Gutteil dem nach wie vor starken friesischen Substrat aber auch z.B. den Einflüssen des Niederländischen und Französischen verdankt, die alle zusammen in einem bestimmten landschaftlichen und wirtschaftlich-sozialen Kontext zur Ausformung der regionalen Sprache beitrugen. Dabei zerfällt dann das ostfriesische Platt auch noch in zwei Großgruppen, die eine alte Sprachgrenze wiederspiegeln, die das geografische Ostfriesland in einen westlichen und einen östlichen Sprachbereich teilt. Während zwischen diesen beiden Bereichen erhebliche Unterschiede feststellbar sind, sind die lokalen Varianten, die von Ostfriesen so gern überbetont werden eher bedeutungslos.

Eine solche regionale Platt-Variante ist das, was den Menschen der betreffenden Region ein Gefühl regionaler Identität vermittelt. In ihr ist das historische und kulturelle Bewusstsein der jeweiligen Region geronnen, über sie vermitteln sich die regionaltypischen Werte.

Es gibt keine überregionale Standardsprache Plattdeutsch, von der alle Varianten dann nur Dialekte wären. Die muss man erst erfinden.

Deutsch zum Vergleich, hat vor Zeiten einen Standardisierungsprozess durchlaufen, der schon recht weit fortgeschritten war, als man begann, ihn in verschiedenen Schritten zu festigen und zu Kodifizieren. Eine solche Entwicklung gibt es im Niederdeutschen nicht – man kann sogar behaupten, das Niederdeutsche habe sich von einem solchen Zustand wegentwickelt – und alle Bemühungen um eine Neuerfindung wie sie seit geraumer Zeit von verschiedensten Stellen auch in Ostfriesland betrieben werden, bleiben bislang naturgemäß dürftig, sind sie doch nur auf dem gemeinsamen Minimalbestand aller Varianten machbar während alles Unterscheidende eliminiert und die Lücken mit Deutsch gefüllt werden müssen. Natürlich lässt sich nicht leugnen, dass eine solche großräumige Sprache Vorteile hätte gegenüber den aktuellen kleinräumigen Regionalvarianten, doch das Resultat kann niemanden wirklich befriedigen und gewiss nicht dem Bedüfnis der Menschen nach kultureller Selbstdefinition entsprechen.

Was also ist das Ziel der Anstrengungen um Erhalt und Förderung – die eigene Regionalsprache oder ein überregionales Kunstprodukt, das niemand braucht und keinem etwas bedeuten kann sofern er sich nicht in solcher Erfindung zu verwirklichen sucht. Und da haben wir ja schon mindestens zwei entscheidende Stichworte zur überleitung nach Frage 2.

Eine äußere Notwendigkeit für das Platt-sprechen gibt es heute nicht mehr. Alle aktuellen Sprecher sind in der Lage sich ebenso gut – oder oftmals sogar: besser – auf Deutsch zu verständigen. Viele beherrschen weitere Sprachen.

Trotzdem wird Platt gesprochen – weshalb ? Für die meisten Sprecher wird das keine bewusste Entscheidung sein und trotzdem lassen sich bei genauer Beobachtung Beweggründe erkennen:

Vordringlich ist natürlich die bloße Gewohnheit im familiären oder sozialen Umfeld. Dass die allein nicht ausreicht lässt sich aber an denjenigen Personen erkennen, die solcher Gewohnheit trotzen und auch in Platt-sprechendem Umfeld auf Deutsch beharren. Es müssen also weitere Faktoren im Spiel sein. Wo immer man nun nachfragt, deutet die Antwort auf ein Gefühlsmoment hin. Offenbar muss zur Gewohnheit auch das entsprechende Zugehörigkeitsgefühl kommen und ein Empfinden von Eingebundenheit, Sicherheit, Geborgenheit in den Konventionen der sozialen Gruppe.

Für alle anderen bleibt eigentlich nur eine bewusste Entscheidung: Platt sprechen aus Neigung – weil diese Sprache ein Gefühl regionaler Identität vermittelt; weil man den Klang der Sprache mag; weil es ein nostalgisches Gefühl befriedigt; weil man es für ein wertvolles Kulturerbe erachtet, das man nicht einfach dem Vergessen preisgeben möchte.

Ja, da sind wir dann wieder bei der Frage: was möchte man fördern ? Ob regionale Identität und Kulturerbe oder die Eingebundenheit in die Konventionen einer sozialen Gruppe, all das bietet nur die eigene Sprachvariante, nicht eine allniederdeutsche Kunstsprache, sei sie auch unter anderen Aspekten noch so vernünftig. Aber vernünftig in diesen anderen Aspekten ist sie auch nur so lange wie man sie für sich allein genommen betrachtet. Bedenkt man nämlich, dass über die genannten Gründe hinaus Platt überhaupt nicht mehr vonnöten wäre, dann ist es auch Verschwendung von Energie, sich der Erfindung dieser übersprache zu widmen.

Zur Förderung der jeweils eigenen regionalen Variante aber sind einige grundsätzliche Fortschritte notwendig, die das Sprachbewusstsein der Sprecher ebenso wie dasjenige ihrer Umgebung betreffen. Es ist erforderlich, beide an der Sprache zu interessieren. Nun wird man geneigt sein, einzuwenden, das genau geschehe ja durch allerlei Aktionen und außerdem zeige die Beteiligung und die allgemeine Diskussion, dass doch zumindest das Kollektiv der Sprecher sehr interessiert sei. Das aber ist nicht das Interesse, das ich meine, denn die Haltung die dort zum Ausdruck kommt ist immer noch eine, die das Platt-Sprechen oder Platt-Sprechen-Können als eine Art genetisch verankerter Eigenschaft betrachtet, die ansonsten nicht weiter zu hinterfragen ist. Was ich hingegen meine ist, dass ein Interesse geweckt werden muss an den eigenständigen Strukturen dieser Sprache, dass sich die Sprecher ebenso wie die Menschen ihrer Umgebung darüber klar werden, dass sie eine Sprache mit eigenem Lautbestand, eigenem Wortbestand, eigener Grammatik und eigenen syntaktischen Strukturen sprechen, deren Formen bestimmten Regeln folgen, die man erkennen, auch erlernen kann und die zum Teil erheblich vom Deutschen abweichen. Indem dies klar wird und sich die Menschen darauf einlassen, wieder zu lernen, beim Platt-Sprechen aus den eigenen Strukturen ihrer Sprache heraus zu denken anstatt eine Art Rückübersetzung aus dem Deutschen zu produzieren, entsteht auch die Möglichkeit, die Entwicklungspotentiale dieser Sprache neu zu aktivieren, die es möglich machen können, sie an die Erfordernisse der heutigen Zeit heranzuführen und sie zukunftsfähig zu machen. Aus der Erkenntnis der Eigenständigkeit ihrer Strukturen und deren Vielfalt mag sich auch eine Steigerung ihres Ansehens und damit der allgemeinen Wertschätzung und ihres sozialen Ansehens ergeben, die ihr neue Freunde gewinnen könnte.

Eine klaren Regeln folgende Schriftlichkeit würde das Ihre dazu beitragen. Außerdem müssten die Sprecher eine Bereitschaft entwickeln, einzusehen, dass Kontamination tatsächlich Verfall bedeutet und nicht als normale Dynamik einer lebenden Sprache beschönigt werden darf. Das heißt, es muss kodifiziert werden, was „richtiges“ und was „falsches“ Platt ist, so wie es in anderen Sprachen ja auch gehandhabt wird. Dass es im Laufe der Zeit Veränderungen gibt, wird dadurch nicht verhindert aber sie werden in vertretbare Bahnen gelenkt, so dass aus ihnen keine ernste Gefahr erwächst.

Wenn dann solche Standards gesetzt sind, wird es möglich werden, Platt in seiner jeweiligen regionalen Variante dort, wo sie gesprochen wird, als echte Zweitsprache zum Einsatz zu bringen, das heißt eben auch außerhalb eines engen familiären oder sonstigen sozialen Rahmens im öffentlichen Gebrauch bei Behörden oder auch nur einfach in anspruchsvollerer Literatur oder der Presse, wo sie dann nicht nur als gelegentliches Kuriosum oder für eine launige Glosse sondern dem Deutschen gleichwertig zur Nachrichtenvermittlung eingesetzt werden könnte.


03.11.2007

Eine Bank, eine Liste, Frau Brückmann und das Ringen um Worte

Eine bekannte, in einem auricher Ortsteil ansässige Holzfirma bietet robuste Gartenbänke aus eigener Produktion an. Einfache Konstruktionen, deren Sitzbrett auf zwei Abschnitten von Baumstämmen gelagert ist, an denen auch eine Rückenlehne - ein wenig bearbeitetes Brett - angebracht ist. Es gibt sie in dieser einfachen Ausführung oder auch mit einem netten Spruch auf dem Lehnbrett. Ein solches Exemplar konnte man jüngst für einige Zeit als Ausstellungsstück bewundern. Seine Lehne zierte der Spruch: „Sett Di dool un ruh Di ut“. ärgerlich ! Warum denn nicht: „Set Dī dóól un rüst Dī wat“, wie es korrektes ostfriesisches Platt wäre – oder hatte man mehr den Export im Sinne?

Aber was erwartet man noch ? Erst vor wenigen Tagen fand ich in der heimatkundlichen Beilage der Lokalzeitung eine Liste, überschrieben „Minner bekennde Woorden“. Die weckte mein Interesse – vielleicht, so dachte ich, finde ich darin ja Wörter, die ich nicht (mehr) kenne, die ich neu oder wieder erlernen sollte und die ich in mein in Arbeit befindliches Wörterverzeichnis aufnehmen könnte. Bei der darauf folgenden Durchsicht machte sich dann nicht nur Enttäuschung breit – es gab nichts Neues zu finden – sondern Erschrecken.

Ich habe mir daraufhin die Mühe gemacht, zu zählen und zu rechnen (dabei habe ich aber nicht auf eine statistische Erhebung des Bekanntheitsgrades der jeweiligen Wörter bei einer erheblichen Anzahl befragter Personen zurückgegriffen, sondern die Bekanntheit mit der Gebrauchshäufigkeit gleichgesetzt): Bei einer großzügigen Auslegung des „weniger bekannt“ trifft das auf gerade 12% der gelisteten Wörter zu. 41% der gelisteten Wörter sind dem Grundwortschatz zuzurechnen (elk, fóók, fel, gāu, nōit etc.) und die verbleibenden 47% sind auch ganz normale, gängige Begriffe (oriğ, bölken, düren, dōk, läecht etc.).

Wenn also die dieser Auflistung zugrunde liegende Einschätzung „weniger bekannte Wörter“ zuträfe, würde das bedeuten, dass es um ostfriesisches Platt noch weit schlechter bestellt ist als ich bislang angenommen habe. Wenn man nämlich „weniger bekannt“ mit „im Bestand gefährdet“ oder gar mit „im Verschwinden begriffen“ gleichsetzt, hieße das, dass ein erheblicher Teil des Grundwortschatzes und ein noch erheblicherer Teil des übrigen allgemeinen Wortschatzes bereits als bedroht anzusehen ist – was kann denn da noch übrig bleiben?

Die Wirklichkeit ist aber doch vielschichtiger. So lese ich z.B. heute in unserer Lokalzeitung „Unter dem Lambertiturm“ einen Beitrag von Frau Marianne Brückmann, der ich doch gern einen hohen Grad an Sprachkompetenz zugestehen möchte. Sie stellt einen Bezug her zwischen Halloween und Martini, um ihrer Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass die Martinisänger sich wieder auf die alten Traditionen und Lieder besinnen mögen.

Wenn ich da von „Harry Potter un sien Kalantjes“ lese, dann gehört der Begriff kūlóóntjes (Kumpane) gewiss in die Kategorie „weniger bekannte Wörter“ aber schon im zweiten Satz des Artikels lese ich: „Un wat dat Slimmst is...“ ja, wieso nicht „läipst“? und dann: „...Harry Potter un sien Kalantjes. An de hebb ik mi unnertüsken wennt.“ Aber sollte es nicht „tau wel wennen“ heißen? Und weiter: „Avers in disse Dagen...“ – nein, „aber“ ist und bleibt „man“ wie sie es wenig später auch richtig einsetzt: „Man de Figöken kieken daar nich na ut!“ bloß: „kieken dar nich na ut“ das heißt doch: „lóóten dor ni nóó“ usw...

Im Beispieltest herrscht also ein Gemisch aus Kontaminanten und genuinen Begriffen oder Fügungen wobei der genante Text insgesamt eher als positives Beispiel gelten kann. Als Konsequenz aus den genannten Beobachtungen, die ihrerseits wieder nur beispielhaft für viele solcher Beobachtungen stehen, folgt der Rat, im Interesse des Spracherhalts und der Sprachförderung für das ostfriesische Platt, den Umgang mit der regionalen Sprache bewusster zu gestalten – im Alltagsgebrauch ebenso wie beim Schreiben. Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, in einer realen Gesprächssituation einen unbekannten Begriff zunächst durch ein deutsches Wort zu ersetzen – so wie man es ggf. auch in einer fremden Sprache tun würde in der Hoffnung, der Gesprächspartner springe helfend ein. In der Folge sollte aber das Bemühen stehen, den ursprünglichen Begriff, die passende Wendung usw. in Erfahrung zu bringen und es gilt, die Scheu zu überwinden, solche dann auch künftig im Alltagsgespräch zu verwenden. Umso mehr aber ist dem Schreibenden nahezulegen, bei einem Text auf Platt nicht alle sonst beachteten Regeln über Bord zu werfen sondern das eigene Bemühen kritisch zu betrachten, um Stil und gute Form zu ringen und auf eine gute Wortwahl zu achten.


03.12.2007

Das Ende der Endung

Nun ist die Adventszeit angebrochen und allenthalben sind nicht nur die Weihnachtsmärkte eröffnet sondern auch auf Basaren und Kreativmärkten versuchen geschickte Zeitgenossen und –Genossinnen den weniger Geschickten allerlei Dekoratives aus eigener Produktion zu verkaufen.

Da mag man auch in Ihlow nicht zurückstehen und so las ich dieser Tage in der Lokalzeitung: „Lüchtermarkt“ an ’t Kloster.

Das machte mich nun stutzig – nicht wegen des Marktes sondern wegen der „Lüchter“. Diese Formulierung wurde offensichtlich in Analogie zum Deutschen „Lichtermarkt“ gebildet aber der Plural zu „lücht“ (Licht; Luft) lautet im Ostfriesischen Platt „lüchten“ und ist damit klanggleich (homonym) zum Verb „leuchten“. „Lüchten lüchten“ bedeutet also: Lichter leuchten (oder, sofern ein entsprechend surrealer Zusammenhang gegeben ist: Lüfte leuchten). Korrekt hätte es also „Lüchtenmarkt“ heißen müssen. Den Erfindern dieser Benennung war also entweder der korrekte Plural nicht mehr bekannt oder sie haben ihn bewusst missachtet – vielleicht weil er ihnen befremdlich erschien.

Etwas Vergleichbares geschieht mittlerweile geradezu regelmäßig auch mit einer anderen Endung, die als Singular- (Einzahl-) Endung ebenfalls klanggleich zu den entsprechenden Verbformen ist. Ich meine die Endung –en bzw. –ern und diese speziell dort, wo sie der deutschen Endung –ung entspricht.

Einige zufällige Beispiele:

lēwern = Lieferung / liefern

bīdüüden = Bedeutung / bedeuten

trāuen = Trauung / trauen (= verheiraten)

ferkollen = Erkältung / erkälten

ferhóólen = Erholung / erholen

blauden = Blutung / bluten („blaud“ wird auch im Sinne von „armer Kerl“ benutzt – dann ist „blauden“ der Plural dazu)

Offenbar widerstrebt es aktuellen Sprechern, die ursprüngliche Endung zu verwenden, sie erscheint ihnen angesichts ihrer Orientierung zum Deutschen hin befremdlich und sie versuchen deshalb, entweder das Deutsche –ung direkt einzufügen oder eine Wendung zu finden, die eine entsprechende Konstruktion ermöglicht, ggf. indem das ursprüngliche Wort durch das entsprechende Deutsche ersetzt wird.

Diese Erscheinung ist ein Beispiel dafür, wie Sprachverfall auf unspektakuläre Weise vonstatten gehen kann. Auffällig sind der Verlust eigenständiger Wörter oder Wendungen, die Veränderung von Satzbau und Grammatik aber gerade auch solch kleine Veränderungen wie der Verlust genuiner Endungen oder die ebenfalls häufig zu beobachtende Veränderung von Lautlängen, durch die das fein austarierte phonematische System gestört wird, können nicht guten Gewissens als natürliche Sprachdynamik abgetan werden sondern müssen ganz klar als zerstörerische Tendenzen erkannt werden, denen im Interesse des Spracherhalts gegenzusteuern ist.


19.12.2007

Die Kirchengemeinde Victorbur und der Teufel im Detail

Es ist Adventszeit, Anlass für vielerlei mehr oder weniger besinnliche Veranstaltungen. So fand sich dann auch dieser Tage in der Lokalzeitung die Ankündigung eines Seniorennachmittags der Kirchengemeinde Victorbur unter dem Motto: Lücht in ‘d Düster.

Zunächst stolpert man da über den typografisch fragwürdigen Apostroph – aber nicht die Typografie soll Gegenstand dieser Betrachtung sein sondern die Frage: Was meint ‘d ?

Spontan fällt mir kein Begriff des Ostfriesischen Platt ein, dem eine solche Kurzform gerecht würde, aber das ist auch gar nicht notwendig, denn wir alle wissen, was eigentlich gemeint ist. Aber der Teufel steckt im Detail, selbst wenn’s um eine kirchliche Veranstaltung geht.

Gemeint ist natürlich die Kurzform des bestimmten Artikels wie sie im Ostfriesischen Platt häufig verwendet wird – aber welche?

Das Ostfriesische Platt unterscheidet zwei Artikel, dat für das neutrale und däi für das männliche wie auch das weibliche grammatische Geschlecht. Die entsprechenden Kurzformen sind ’t für dat (oder wie man noch in älteren Aufzeichnungen findet: et) und d’ für däi.

Im vorliegenden Fall legt die Stellung des Apostroph ein ’t nahe, der Buchstabe aber ein d’. Heißt es nun dat düüster oder doch däi düüster ? Vielen Sprechern des Ostfriesischen Platt ist gar nicht bewusst, dass im Ostfriesischen Platt das grammatische Geschlecht von Wörtern gegenüber dem Deutschen oftmals abweicht (das Musterbeispiel dafür: dat sğap / der Schrank).

Berücksichtigt man dies, mag die Antwort auf die eben gestellte Frage gar nicht mehr so eindeutig erscheinen – dat düüster oder däi düüster. Für Fälle aber, bei denen über das korrekte grammatische Geschlecht Unklarheit herrscht, bietet uns das Ostfriesische Platt selber eine Hilfe zur Lösung des Problems: Einsilbige Eigenschaftswörter (Adjektive) wechseln in bestimmten Funktionen und Positionen die Länge ihres Selbstlautes (Vokals) oder Doppellautes (Diphthong). Es heißt zum Beispiel: dat hūs is grōt, in attributiver Stellung aber: dat grôd hūs.

Bilden wir nun einen Satz nach dem Muster: dat is ’n (+ beliebiges Eigenschaftswort z.B. grōt)(das fragliche Hauptwort), so werden wir feststellen, dass in manchen Fällen die Länge das Vokals gleich bleibt (dat is ’n grōt sğap = das ist ein großer Schrank) während sie in anderen Fällen in die überlängte Form wechselt (dat is ’n grôd dööer = das ist eine große Tür).

Nun wissen wir, es heißt dat sğap und däi dööer und können nun daraus schließen, dass dort, wo die Vokallänge im Adjektiv erhalten bleibt, das Hauptwort ein dat, in den anderen Fällen dann ein däi fordert. Wenden wir diese Erkenntnis auf düüster an, so erhalten wir z.B. den Satz (er muss keinen Sinn ergeben, sondern soll nur das grammatische Geschlecht aufdecken): dat is ’n grōt düüster und stellen fest, es heißt dat düüster.

Damit steht dann auch fest: Die Ankündigung in der Zeitung war fehlerhaft, es hätte eindeutig heißen müssen: Lücht in ’t düüster (bzw. in der dort verwendeten Schreibweise: Lücht in ’t Düster)

Auch solche Kleinigkeiten sind keinesfalls belanglos und sollten im Interesse der Sprachpflege beachtet und sorgfältig gehandhabt werden.


19.01.2008

Friesischer Rundfunk

Neulich: Als ich in die Stube kam, saß die Familie vor dem Fernseher und ärgerte sich über das unbefriedigende Programmangebot. Mein Sohn nahm die Fernsteuerung und begann, von Programm zu Programm zu springen - zappen nennt man das heute auf Neudeutsch - bis er dann beim FRF, dem „Friesischen Rundfunk“ hängenblieb. Da lief gerade eine Rückschau in Bildern unter dem Motte „Dor sünd wi west“. Will man da eine breitgestreute Klientel in ganz Ostfriesland und Friesland ansprechen, mag man sünd hinnehmen, auch wenn mir persönlich bünt mehr zusagte.

Dies ist aber einer jener Fälle, in denen es im Ostfriesischen Platt unterschiedliche Sprechweisen gibt: Manche sagen wī bünt, andere dagegen wī sünt. Auch in anderen Formen zu wēsen = sein gibt es diese Unterschiede z.B.: ik bün / ik sün.

Was aber an besagtem Titel wirklich aufstößt ist, dass hier die Verantwortlichen offensichtlich vom Deutschen her gedacht und dabei übersehen haben, dass Hilfsverben wie wēsen = sein, hebben = haben etc. im Ostfriesischen Platt oftmals anders gesetzt werden als im Deutschen und im vorliegenden Falle nicht eine Form von wēsen (sein) sondern von hebben (haben) hätte stehen müssen.

An Stelle von „Dor sünd wi west“ hätte es heißen müssen „Dor hebbent wī west“ wobei dies die - in der Schriftform vorzuziehende - Vollform ist, die in gesprochener Sprache durchweg auf dor he’ wī west reduziert wird oder mit etwas abweichender Bedeutungsschattierung dor he’ w’ west (gesprochen klingt das dann: dor häew west).


22.01.2008

Wie schmeckt Holz beim Bauern ?

Heute auf dem Wochenmarkt stutzte ich; da stand der Wagen eines Marktbeschickers aus Münkeboe mit der Aufschrift „Holt bie't Buur, denn schmeckt !“. Ich fragte mich: Was soll mir das nun sagen ? Alsdann bemühte ich mich um eine Deutung:

Am einfachsten erschließt sich ja „Buur“. Das ist zwar vom Schriftbild her problematisch, fordert doch das Doppel-u hier einen Laut, der dort nicht hin gehört, aber das sei der ungeregelten, Deutsch-orientierten Orthografie geschuldet.- Ostfriesisches Platt kennt zweierlei lange u-Laute, einmal das ū mit der überlängten Form û wie in hūs = Haus oder mūs = Maus und sğûd = Schürze oder bûd = Bude und das ue mit der kurzen Entsprechung u wie in tueb / tubben = Bottich/e, muel/mullen = Maulwurf/e. - Gemeint ist natürlich buer = Bauer. Damit erschließt sich dann auch die Bedeutung von „bie't“ - lassen wir weitere Betrachtungen zur Angemessenheit der Schreibweisen nunmehr beiseite, dann können wir feststellen, dass hier bī ’t gemeint ist. Wem nun nicht klar ist, warum das an dieser Stelle falsch ist, der lese doch einfach einmal die Bemerkung vom 19.12.2007 „Die Kirchengemeinde Victorbur und der Teufel im Detail“.

Weil es eben nicht heißt dat buer sondern däi buer, muss an dieser Stelle stehen: bī d’ buer. Soweit habe ich mich nun vorgemüht: „Holt bī d’ buer, denn schmeckt !“. Aber einen Sinn ergibt das noch immer nicht.

holt bī d’ buer, das hieße: Holz beim Bauern (oder auch: Gehölz beim Bauern) und dazu passt doch nicht: „denn schmeckt“.

Ist etwa gemeint: holt bī d’ buer, dat smekt ! = Holz beim Bauern, das schmeckt ? - Kann ich mir nicht vorstellen. Auch die Möglichkeit, dass „holt“ als eine Form von hollen = halten aufzufassen sein könnte, ist wohl unwahrscheinlich wenngleich durchaus möglich, hat doch hollen außer „halten“ auch noch die Bedeutung von behalten oder erhalten und bekommen in einem schwer übersetzbaren aktiven Sinn wie es denn auch „abonnieren“ oder „auf etwas abonniert sein“ bedeuten kann. Dazu passt dann aber der Rest des Satzes nicht, denn man kann fan wat hollen = etwas gern haben / mögen und analog dazu auch fan wel hollen also: jemanden mögen, bī wel hollen dagegen würde bedeuten: zu jemandem halten - aber was könnte heißen: halt(et) zum Bauern,dann schmeckt ?

Also weiter überlegen! Hier soll für irgendetwas Werbung gemacht werden, das in einen Zusammenhang mit Geschmack gebracht werden kann. Geistesblitz! Ja, für irgendetwas - und zwar irgendetwas, das man beim Bauern bekommt.

Gemeint ist offenbar nicht holt = Holz sondern hóólt = holt. Holt beim Bauern ! Nun stellt sich allenfalls noch die Frage: reicht das oder ist gemeint: holt es - also das Irgendetwas ? In letzterem Falle wäre es dann hóólt ’t bī d’ buer. Oder soll nur der einzelne Leser angesprochen werden und es soll heißen: hóól ’t bī d’ buer ? Dann bleibt nur noch der Nachsatz zu betrachten: „denn schmeckt“. Nun, den und dan sind wieder zwei lokal unterschiedlich gebrauchte Formen des gleichen Wortes - lassen wir also den (in der vorgefundenen Schreibweise: denn) stehen und betrachten den ganzen Teilsatz: Ob man „schmeckt“ stehen lassen will oder doch lieber eine Formulierung wie vielleicht den pröywt ’t gaud / best oder den is ’t smóókelğ einsetzt, mag als Geschmacksfrage durchgehen; Tatsache aber ist, dass der Satz in der vorgefundenen Formulierung unvollständig ist.

In den Alternativvorschlägen habe ich die Korrektur bereits stillschweigend mit eingebracht: es muss also zumindest heißen den smekt ’t.

Damit bin ich dann also bei der Lösung des Rätsels angelangt: Der fragliche Satz sollte heißen Hóólt ’t bī d’ buer, den smekt ’t (oder wenn es denn in der Deutsch-orientierten Schreibweise sein muss: Haalt ’t bie d’ Buur, denn schmeckt ’t).

Tja, darauf muss man erst einmal kommen.

Bleibt als letzte Frage - und die gilt auch für das Deutsche: Der Begriff „holen“ impliziert die überführung eines Gegenstandes von einem Ort an einen anderen; kann man dann etwas „beim Bauern holen“ muss es nicht hier wie dort heißen: „vom Bauern holen“ also: hóólt ’t fan d’ buer, den smekt ’t ?


24.02.2014

»Platt sniddt good of« ?

Fragen wir nicht nach der Qualität des Slogans und nehmen wir zunächst die am Deutschen orientierte Orthografie ohne Murren hin, stellt sich doch sogleich die Frage, weshalb »snidd« zur Kennzeichnung des kurzen Vokals einen Doppelkonsonanten erhält, »of>« dagegen nicht. Aber befassen wir uns erst einmal mit dem sonderbaren »sniddt«.

Gemeint ist unzweifelhaft eine Form von »sni-den« (schneiden). Weil nun die Schreibung »sniddt« überhaupt keinen Sinn ergibt, mag man sich fragen ob man lesen soll: »Platt snidd ’t good of« (Platt schneidet es gut ab). Aber was schneidet denn dann Platt gut ab? – Die Haare des Herrn auf dem Bild können nicht gemeint sein denn die Dame bedient sich einer Schere, nicht einer geschärften Sprache.

Nein, wahrscheinlich ist doch gemeint »Plat snid gaud of« (Platt schneidet gut ab [gemeint ist: z.B. im Vergleich zum Deutschen]) was in der gewählten Schreibweise zumindest »Platt snidd good of« ergeben müsste wobei schließlich – wie oben bereits angemerkt – »Platt snid good of« die bessere Variante wäre – und schon nahe an einer sinnvollen Orthografie.